Ehemalige Nadelfabrik Schleicher auf Gut Schönthal bei Langerwehe

Feine Nadeln vom romantischen Landgut

Gabriele Harzheim

Wo heute ein schönes Landgut mit Teichanlage, Restaurant, Eigentumswohnungen und einem verwilderten Park existiert, wurden über 100 Jahre lang Nadeln hergestellt. Eine Nadelglühe erinnert bis heute daran.

Als 1819 der Stolberger Messingfabrikant Matthias Leonhard Schleicher in der so genannten "gebrannten Mühle" im Wehebachtal eine Nadelfabrik unter dem Namen Schleicher & Söhne gründete, hatten seine Vorfahren hier bereits 159 Jahre lang Kupfer und Messing verarbeitet. Bereits 1817 hatte Schleicher an der kurz oberhalb liegenden Heister- oder Hüttenheister Mühle ein Landhaus errichten lassen. Das ganze Anwesen erhielt um diese Zeit den Namen Schönthal, die ehemalige Hüttenheister Mühle den Namen Kleinschönthal.

Mit Nachdruck baute Matthias Leonhard die Fabrik aus und sorgte auch dafür, dass das bis dahin kaum erschlossene Tal eine Straßenverbindung erhielt. In einzelnen Mühlenwerken im Tal oberhalb und unterhalb von Schöntal wurden Werkstätten eingerichtet. Für die eigentliche Modernisierung und den Weltruf der Firma sorgte jedoch sein Sohn Carl Viktor Schleicher, der bereits 1825 das Unternehmen übernahm. Zu Beginn der 1840er Jahre erhielt Schönthal eine Gasanstalt zur Beleuchtung der Arbeitsräume, 1851 kam die erste Dampfmaschine zum Einsatz. Um 1899 hatte die Anlage ihren größten Umfang erreicht.

 Altre Schmelzofen auf Schönthal

Zu Beginn der Fabrikation in den 1820er Jahren erfolgte die Herstellung der Nadeln noch von Hand mit Durchschlag, Hammer, Feile und Schleifstein. In der Schönthaler Mühle wurden die Nadeln dann geschauert, poliert und zum Verkauf fertig gemacht. Carl Viktor Schleicher bemühte sich seit den 1830er Jahren, durch aus England importierte Maschinen die Fabrikation auf neuestem Stand zu halten. Er engagierte sogar einen Engländer, der 1857 auf Schönthal eine neue Spitzenschleifmaschine konstruierte, die Schleicher patentieren ließ.

Als schwierig erwies sich in dem abgelegenen Tal die Rekrutierung eines geschulten Arbeiterstamms. Die ersten "Nadler" kamen aus Aachen und lernten die heimischen Arbeiter an. Sie lebten in Quartieren auf dem Gut. Im Schnitt waren im 19. Jahrhundert an die 200 Personen vor Ort beschäftigt.

Entsprechend der damaligen Norm des Großbürgertums erbaute sich Carl Schleicher nicht nur eine Villa in Werksnähe, sondern ließ 1858 oberhalb davon einen Park anlegen, der mit zahlreichen Gebäuden und Denkmalen, z.B. einer Grotte, Türmen, einer Kapelle und einem Tempel ausgestattet war. Zentraler Bau war die "Karlsburg", eine romantische Ritterburg nach dem Vorbild des Adels. In unmittelbarer Nähe befand sich auch der "Rittersaal". Beide Gebäude waren reich mit Gemälden, wertvollen Stickereien und Möbeln ausgestattet.

Mit dem Niedergang der Nadelfabrikation 1932 in Schönthal ging auch langsam der Glanz der Gartenanlage verloren. Der Zweite Weltkrieg brachte die fast völlige Zerstörung von Fabrik und Park. Seit 1996 wird nach einem Besitzerwechsel hier wieder renoviert und das Anwesen einer neuen Bestimmung zugeführt. Eigentumswohnungen sind in den verbliebenen Fabrik- und Werkstattgebäuden und ein Restaurant mit gehobenen Niveau im ehemaligen Wohnhaus entstanden. Eine Nadelschmelze erinnert an die große gewerbliche Zeit der Anlage.

 Nadelfabrik Schleicher um 1900

Adresse:
Gut Schönthal
52379 Langerwehe
Anfahrt: Gut Schönthal liegt im Wehebachtal zwischen Langerwehe und Heistern. Von Aachen bzw. Köln A 4 bis Ausfahrt Eschweiler, B264 bis Langerwehe, L12 durch das Wehebachtal bis zum Gut Schönthal
Besichtigung:
Die Gebäude sind von außen zu besichtigen. Der ehemalige Park ist öffentlich zugänglich.

 

 

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